Dienstag, 26. August 2014

23.8.2014 Reisebericht Andreas



23.08.14
Endlich ist wieder etwas Strom da, wenn auch mit dem Geräusch des dieselenden Generators verbunden. Nachts gingen weder Licht noch Ventilator, mein Kopfkissen ist völlig durchschwitzt und ich kann nicht behaupten, dass der Schlaf bei 35° und in einem kleinen Zimmer besonders erfrischend ist. Jetzt sitze ich wieder unter der Windmaschine, ein Windzug wie hinter einer Düsenturbine und auch vom Geräusch her vergleichbar. Aber angenehm, wie der Wind die ohnehin feuchte Haut kühlt. Heute Morgen künden zwei Blutflecken auf meinem Bettlaken von gnadenlosen Kämpfen mit irgendwelchen Insekten – wenn ich meinen Knöchel betrachte, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, wer den Sieg dieses nächtlichen Scharmützels davon getragen hat. Richtige Mücken habe ich hier eigentlich noch nicht gesehen, nur die ganz kleinen und etwas größere, etwa 1 cm lange mottenähnliche Tierchen, deren besonders negativer Charakterzug darin besteht, Blut zu saugen.
Fehlanzeige, während ich hier sitze, ist der Strom trotz Generators wieder weg. Gut, dass unsere Kommunikationsmittel mittlerweile über Akkus laufen. Wie uns Joseph, der Hausbedienstete sagt, ist der Diesel alle und muss erst noch beschafft werden. Ich fahre mit Adeline, dem Hausmädchen, zur Tankstelle.
Bei der Durchsicht meiner Berichte der letzten Tage ist mir doch etwas eingefallen, was von Nicht-Informierten falsch verstanden werden könnte: Ich rede immer von Häusern und Gebäuden, wenn ich von unserem Grundstück rede. Vermutlich liegt das daran, dass ich ein wenig den Maßstab verloren habe, wenn ich davon rede. Nur ein Gebäude im klassischen Sinne wird es jemals auf unserem Grundstück geben: Das ist die Dispensère. Wir werden sie in Stein bauen und die Behandlungsräume und das Labor werden mit Keramik ausgestattet – aus hygienischen Gründen. Selbst die kleine Dispensère um die Ecke war so ausgestattet. Unsere Häuser, also die des Verwalters, der Kindergärtnerin und die Unterbringung für Gäste wird weitaus weniger komfortabel sein: Der Unterschied zu den regionstypischen Hütten wird sich auf die Biotoilette beschränken – womit wir wiederum eine Anregung zu den ortsüblichen Praktiken der Beendigung des Stoffwechselprozesses geben wollen. Waschen, Duschen, Kochen, all das wird sich nicht in den Hütten, sondern außerhalb abspielen, unter der Weite des Himmels. Es sind kleine „Einraumwohnungen“, allerdings haben wir schon vor, die Toilette mit mehr als nur einem halbhohen Vorhang abzutrennen!
Für die Einrichtung sind die beiden „Offiziellen“ selbst zuständig, die Einrichtung der Hütten für Gäste wird sich auf ein großes Bett, zwei Stühle und einen Tisch beschränken. Und eine Stange für die Kleider. Der größte Unterschied wird hoffentlich in der Sauberkeit bestehen, aber dafür sind natürlich primär die Bewohner zuständig.
Nun hat uns schon wieder der Stau von Port-au-Prince. Wir treffen uns mit dem Patenschaftskomite und heute Nachmittag wollen wir in den Baumärkten „shoppen gehen“. Falls wir uns im Laufe des Tages noch einmal vorwärtsbewegen.
Wieder bei Familie Laplanche.
Eigentlich bin ich ja geradezu ein Fan von Baumärkten: Zu gerne betrete ich diese testosterongeschwängerten Hobbytempel, und je weniger Hobby, desto besser. Aber heute war es doch ein bisschen viel: Zwar hatte ich während der Woche schon eine ganze Menge gesehen, was uns die Auswahl auch durchaus erleichterte, aber wiederum alle Märkte aufzusuchen und dazu noch ein paar mehr, das war heftig. Aber welcher große Junge (ich meine echte Jungs) möchte nicht einmal in einem Baumarkt für eine kurze Zeit eingeschlossen sein? Aber die Zeitspanne, in der uns ein Tropenregen im letzten Baumarkt unserer Runde festgehalten hat, die war dann doch zu üppig. Mit wasserscheu hatte es denn auch gar nichts zu tun, dass keiner der Kunden versuchte, durch die Wasserfront zu seinem Auto zu gelangen. Von dem Riesendach der Halle stürzte das Wasser in Kaskaden über Vordächer auf Motorhauben herunter, die in Norwegen durchaus Namen bekommen hätten wie die „Sieben Schwestern“, nur dass diese hier noch etwas Zuwachs hatten. Das Naturschauspiel, unüblich für die Saison, dauerte sicherlich 45 Minuten, die ich dazu nutzte, mir alle möglichen Werkzeuge, Pumpen, Generatoren und Solarbauteile ohne den sonst üblichen Zeitdruck anzuschauen; Roswitha und die Ingenieure G&G saßen auf leeren Kabelrollen und einer Ameise (Unkundigen sei an dieser Stelle erklärt, dass es sich hierbei nicht um einen Akt der Tierquälerei handelt, Ameisen werden vielmehr die handbetriebenen Wagen genannt, mit denen man Paletten transportieren kann.) und planten die nächsten Aktionen. Da das Ganze mal wieder in Kreol erfolgte, sah ich mich nicht verpflichtet, dem Gespräch zuzuhören. Auch wenn ich mittlerweile soweit bin, wenigstens das Thema zu begreifen. Manchmal.
Vorher waren wir noch bei der Sogebank, und es ist kein Wunder, wenn sich mir beim Schreiben dieses Namens die Nackenhaare kräuseln. Als wir auf den Parkplatz fuhren, kam der Wachmann zu unserem Auto und schimpfte, dass das eine Ausfahrt sei und keine Einfahrt, wir sollten gefälligst umkehren. Woran man denn erkenne, dass das eine Ausfahrt und keine Einfahrt sei, es stehe ja kein Schild dort. Das tue nichts zu Sache, wir sollten gefälligst umkehren und die Einfahrt nehmen. In Ordnung, ob wir uns denn dann wieder auf diesen Platz stellen könnten (ich hätte ja gefragt, ob er uns diesen Platz solange freihalten könne, aber ich bin ja des Kreol nicht mächtig, manchmal ist das ein echtes Glück, denn die Wachleute tragen immer Pumpguns, was ihnen auch ein gewisses Selbstvertrauen zu verleihen scheint). Natürlich, das sei möglich. Ob wir dann der Einfachheit halber nicht hier stehen bleiben könnten? - - - Diese Möglichkeit schien ihm völlig neu und unbekannt, mürrisch und eine weitere kafkaeske Erwiderung schuldig bleibend wies er uns mit nachlässiger Handbewegung den Weg. Nicht ohne uns allerdings kurze Zeit später aufzufordern, einen Autoschalter weiträumiger zu umgehen, als wir es zu tun vorhatten. Aber das war ja erst noch vor der Bank!
In der Bank der typische Ärger. Wir kamen zwar sofort an die Reihe, doch nur Roswitha durfte zum Schalter vor, Guerino und ich wurden in eine Wartezone verband. Das Bankgeschäft schien sich dem Ende zuzuneigen, ich fuhr schon mal den Wagen vor, Harry, doch in der Warteschleife vor der Bank vergingen die Minuten und Minuten und Minuten. Nachdem Guerino gegangen war, vergingen sie weiterhin, ohne dass sich etwas tat. Vor allem Guerino kam nicht wieder. Zwischendurch kam Rachelle vorbei, setzte sich einen Moment in den Wagen und ging dann schauen, wo die beiden blieben. Auch sie kam nicht wieder. Nur die besagten Minuten. Irgendwie kam mir in den Sinn, dass ich jetzt auch noch den Papstbesuch abwarten könnte, denn ich vermutete, dass auch er diese Straße nehmen würde. Vielleicht lag das aber auch an meinem geistigen Zustand, denn ich saß nun schon etwa 45 Minuten in einem geschlossenen Wagen in der Sonne. Die Klimaanlage funktioniert nur bei laufendem Motor, das war mir jetzt aber auch egal, und so wartete ich mit laufendem Motor vor einer Bank und wartete darauf, dass meine Freunde mit einem Batzen Geld herauskämen...
In der Bank war Folgendes passiert (ich hoffe, ich krieg's zusammen, ich war ja nicht dabei und was ein Banker als normal empfindet, muss ja nicht unbedingt in meine Denkschemata passen): Die Kassiererin wollte schon fast das Geld herausgeben, als sie bemerkte, dass ja gar nicht so viel Geld auf dem Konto war. Daraufhin fiel Roswitha ein, dass sie von Zuhause das ganze Geld auf ein anderes Konto der Haiti-Kinderhilfe verschoben hatte, damit ich durch Rachelle und Laumenaire daran käme. Ob sie das Geld nicht auf das Konto zurückschieben könnte – eigentlich kein Problem, aber dafür müsse sie einen Scheck benutzen, und das habe sie ja gerade bei der (nicht zu Stande gekommenen) Abbuchung getan. Und mehr als ein Scheck am Tag geht nicht. Aber sie könne zu einer anderen Filiale fahren, dort dürfe sie wieder einen Scheck verwenden.
Roswitha hat dann einfach Dollar in Gourdes getauscht, das ging wohl ohne Scheck, und das restliche Geld wird sie dann wohl Montag holen. Ich weiß es auch nicht so genau, traue mich aber nicht, sie auf das Thema anzusprechen.  Jedenfalls haben wir uns anschließend bei unserer Baumarkt-tour-de force nicht nur über einige Problemlösungen einigen und den Ingenieuren das Material zeigen können, was wir für qualitativ angemessen empfinden (wir stellen uns für unser Projekt schon eine Lebensdauer vor, die das nächste Jahrzehnt noch tangiert!), wir haben auch einen Generator gekauft, 10 Dieselkanister aus dem guten, alten Metall, Sicherheitskleidung (orangefarbener Helm und rote Weste) für die Vorarbeiter – eine Frage der Ehrfurcht, Anerkennung und Autorität! - sowie eine Betonmischmaschine mit Dieselantrieb. Letztere wird uns Guivens nach Beendigung der Baumaßnahmen abkaufen. Das ist für uns auch die Gewähr, dass die Maschine die Bauzeit übersteht...
In einem kleinen Restaurant am Flughafen haben wir dann den offiziellen Teil des Tages mit einem ewig langen Planungsgespräch beendet – nochmals und nochmals mussten wir Dinge erklären, die ich schon seit fast 14 Tagen zu vermitteln versuche und die Roswitha ebenfalls die vergangene Woche erklärte. Zu einigen Dingen werde ich noch Zeichnungen schicken, vielleicht baue ich ja auch alles in unserem Garten vor und mache Fotos? Oder Filmchen à la youtube? Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Zwischendurch berichtete uns Guivens, dass er bereits die ersten 4 von 30 Palmen gekauft habe, die zum Bau eines Holzhauses notwendig seien, sie würden jetzt in Bretter zerlegt. Gut dass wir für jeden gefällten Baum mindestens einen neuen pflanzen, und gut auch, dass wir dafür nicht nur Palmen nehmen, sonst würden auf unserem Grundstück bald monokulturelle Zustände herrschen.
Einen guten Zimmermann für Fensterläden, Türen und so weiter habe er auch. Es ist derselbe, der seit Ostern 2013 die Lehrermöbel für Billiguy noch immer nicht geliefert hat. Dann ist jetzt aber eine baldige Bestellung angeraten! Aber Türen werden ohnehin überschätzt – vor allem Toilettentüren, das weiß ich noch vom Hotel in Maissade!
Andreas

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