Sonntag, 17. August 2014

Neues vom Projekt

Unser Projekt in Maissade nimmt nun langsam Gestalt an. Die Vermessung des Grundstücks ist erfolgt und nun soll ein Zaun erstellt und die Grundplatten für die Container gegossen werden.
Die Container sollen vorab als abscließbares und diebstahlsicheres Lager für Baumaterial und Werkzeug dienen. Später dann als Werkstatt  und Lager fürs Projekt.
Vor einer Woche kam Andreas in Haiti an und hat schon einiges erlebt. Aber lest selber:


11.8.2014
Hallo, es wird nur ein kurzer erster Bericht, weil ich dringend das hinter mir lockende Bett aufsuchen muss. Heute Mittag also Ankunft in PaP, Andre holte mich ab. Er hatte die glorreiche Idee, mich zunächst zum Essen zu führen - wieder einmal das typische haitianische Essen: Fleisch, Reis mit Bohnen, die sich allerdings als Erbsen entpuppten, Banane. Der richtige Einstand.
Dann Guerino aufgegabelt und erst zum BND, dort die Papiere bekommen und Kopien gemacht. Von einer amerikanischen Zusatzversicherung wussten die dort allerdings nichts. Die Zahnriemen abgegeben.
Danach zum Auto, Andre hatte schon die Plane entfernt, wir haben nur noch die Batterie angeschlossen, die Reifen auf den richtigen Druck plus 0,5 bar gebracht und ab. So schlecht fährt er gar nicht. Aber die Tür nervt richtig. Auch das Getriebe ist eigenartig. Besonders zwischen dem ersten und dem zweiten Gang, was allerdings nebensächlich ist angesichts der Tatsache, dass der Verkehr in PaP einen zweiten Gang gar nicht notwendig macht.
Mit Guerino dann das Hotel aufgesucht - zum Übernachten nicht schlecht, sehr sauber mit Klimaanlage und Kühlschrank.
Der sollte gefüllt sein, deshalb noch rasch zum Supermarkt (der, in dem wir damals Ostern eingekauft haben).
Dort haben wir auch Lelen getroffen (nicht zufällig), die uns zu ihrem Haus geleitet hat. Sie hat mir die Patenschaftsunterlagen ausgehändigt und einen vorbildlichen Bericht über die verschiedenen Abrechnungen. Susa wird ihre helle Freude daran haben, ernsthaft. Das Auto habe ich dort nicht mehr angekriegt, man darf es wohl nicht bei geschlossenen Türen starten?! Merkwürdig. Da ich auch überhaupt keinen Knopf zum Drücken für den 4WD gefunden habe, werde ich morgen die Bedienungsanweisung konsultieren. Die Rückfahrt wieder im Stop-and-Go quer durch ganz PaP, mit Guerino noch ein paar Pläne durchgegangen, den Internetstick montiert (das Ergebnis habt ihr vor euch) und zwei Bier geleert. Zusammen.
Morgen bekommt Guerino CI für den Verein, danach gehts zur Anwältin. Und dann die Baumärkte...
Was daraus geworden ist, erfahrt ihr morgen. Ich muss jetzt dringend ins Bett!
Andreas


12.08.14
Der Tag fing mit einem Schrecken an, als ich unser Auto bei Helligkeit von vorne sah. Beim nächtlichen Rangieren vor Lelens Haus hatte mich M. Laplanche freundlicherweise beim Wenden dirigiert, der kleine Bumms, der für mich erstaunlicherweise weit vor der Mauer zu hören war, wurde von ihm nur nachlässig abgewunken. Kein Grund für mich, auszusteigen und nach dem Rechten zu sehen, zumal es dafür auch viel zu dunkel war. Morgens jedenfalls stellte sich diese kleine Begegnung jedoch als kapitaler Schaden an der Schürze heraus – mir war entgangen, dass M. Laplanche nur den Schaden am Stein bewertet hatte.
Viel erstaunlicher scheint mir, dass der heutige Tag ohne Schaden an Auto, Körper und Seele vergangen ist. Wobei sich das mit der Seele erst noch herausstellen muss.
Nach einem Frühstück mit einem Sandwich, belegt mit wenig Jambon, noch weniger Fromage (obwohl es sich so nannte) dafür aber einer ungeheuren Menge an Ketchup, holte mich Guerino pünktlich gegen 9 Uhr ab. Um 10 Uhr hatten wir den Termin bei unserer Juristin Mme Ducasse, bei der wir nach einer Unmenge Staus auch etwa 80 Minuten später eintrafen. Auf direktem Wege. Da sie eine ähnliche morgendliche Erfahrung gemacht hatte, kommentierte sie unsere Verspätung milde. Da wieder etwas fehlte (da entspricht das haitianische Recht in weiten Teilen dem deutschen), hielt sie mir einen langen Vortrag über ebendieses Recht und dessen Grundsätze, den ich alles in allem kaum verstanden habe. Auch das entspricht durchaus meinen Erfahrungen bei deutschen Juristen, obwohl da ja wenigstens die grundlegende Sprache stärker meinem Erfahrungshorizont entspricht. Ich habe aber verstanden, dass auch in Haiti ein Siegel nicht reicht – es muss noch einmal „überbeglaubigt“ werden. Für mich ohnehin seit Jahren der einzige rechtmäßige Kandidat für das Unwort des Jahres. Wird also wieder nichts mit der Eintragung in das Journal. Das Dolle für mich: Sie gab mir das besiegelte Original auch nicht nach Aufforderung zurück, weil sie es ja brauche. Roswitha muss also wohl oder übel ein neues Führungszeugnis beantragen. Außerdem fehle die Aufenthaltsgenehmigung für Haiti über die gebräuchlichen 3 Monate hinaus, aber das wisse Frau Weiss ja. Nun ja – jedenfalls habe ich die geforderten Originale unserer Ernennung bekommen.
Danach zur Soge-Bank in Petionville. Wieder Staus ohne Ende, teilweise mit leichten Anflügen von Aggressivität. Natürlich nicht bei mir – höchstens gegenüber Guerino, der ab und zu leise jammerte, wenn ich an einer Abzweigung vorbeifuhr. Ich hatte ihm bereits gestern zu erklären versucht, dass ich meine Augen unablässig für die manchmal überraschenden Aktionen anderer Verkehrsteilnehmer bräuchte und keine Gelegenheit hätte, die schwachen Bewegungen seines Daumens der im Schoß liegenden rechten Hand zu beobachten und zu deuten. Ich bin dazu übergegangen, ihn vor jeder, absolut jeder Abzweigung oder Kreuzung nach dem Weg zu fragen. So beschränkt sich unsere Konversation stundenlang auf die drei Worte left, right und straight. Manchmal aber auch die französischen Entsprechungen. Morgen werde ich es mit deutsch versuchen.
In Petionville schließlich konnte ich feststellen, dass auch mein Guide Port-au-Prince nicht in allen Winkeln kennt. Eine zuerst recht breite und ausgebaute Straße wurde unmerklich enger, schlechter, bis wir uns in einem waschechten Slum befanden. An ein Weiterkommen oder gar Wenden war überhaupt nicht zu denken und unsere Anwesenheit fand auch nicht grenzenlose Begeisterung bei den Bewohnern dieser Gegend.
Ich dachte, dass ein Wenden nicht denkbar wäre, wurde aber von der Realität eingeholt: Was sollte ich denn machen? Ich entschied mich für die unmögliche Lösung Nummer zwei: Wenden! Und alle halfen – wirklich alle. Und so gelang es nach dem Umräumen anderer Fahrzeuge und Marktstände, dem Überfahren größerer Berge mit Baumaterial und einem Lärmpegel, wie ich ihn sonst nur in einer 6. Klasse bei Regenpause kenne, das Fahrzeug um 180° zu drehen. Auf dem Rückweg fragte ich mich manchmal, wie ich wohl auf dem Hinweg durch diese Enge gefunden hatte.
Zurück im halbwegs normalen Verkehr sind wir nahezu alle Straßen Petionvilles abgefahren, offensichtlich kannte sich mein Begleiter nicht besser aus als ich – also gar nicht. Unzählbar, wie viele Passanten wir gefragt haben, unvorstellbar, wie viele Autofahrer hinter uns gehupt haben. Und es klingt wie von einem drittklassigen Comedien ausgedacht: Gerade, als wir aufgegeben hatten und uns auf den Besuch von Baumärkten konzentrierten, standen wir vor der ersehnten Soge-Bank. Ich versuchte in einer Einbahnstraße verkehrt herum zu parken (ich hätte gewettet, das wäre in PaP nicht aufgefallen), woran mich jedoch ein Polizist zu hindern trachtete. Aber der Platz war noch da, als ich die Einbahnstraße richtig herum passierte.
In der Bank wieder ähnliche Erfahrungen wie in Deutschland, auch in Haiti tut der Banker so, als gehöre ihm das Geld, dass man dort deponiert hat. Nur sehr widerwillig, fast, als sei es eine unerträgliche Zumutung, blickt er einen lange an, lässt die Wünsche wiederholen, wägt ab, ob er dazu gerade geeignet sei, bis er sich schließlich resigniert umdreht und einen ebenso motivierten Kollegen (in unserem Fall eine weibliche Variante) fragt, ob sie so etwas überhaupt jemals gemacht hätten und ob sie dazu überhaupt befugt seien: Kontoauszüge ausstellen! Kurz: Es ging! Schon 45 Minuten später verließen wir die Bank, machten rasch noch ein paar Kopien von unserer Steuerbescheinigung, die Guerino morgens abgeholt hatte (Sie heisst „Card d'Identite“ und macht uns überhaupt erst real existierend!) und brachen dann zu einem Farbenhandel und einer Art Baumarkt auf. Man bekommt wirklich alles, im Zweifelsfall muss man nach Katalog bestellen und bekommt die Ware etwas später, importiert vornehmlich aus den USA.
Nach einer kurzen Mittagspause im Muncheez planten Guerino und ich weiter an unserem Projekt, auch Guivens wollte kommen, hat es dann aber doch nicht geschafft. Nach unserem Getränk zu urteilen, wird es ein „Prestige-Projekt“, (Insider wissen was ich meine, Außenstehenden sei verraten, dass „Prestige“ der Name einer wirklich guten Brauerei in Haiti ist.)
Guivens ließ mir noch ausrichten, dass die Baugenehmigung für unser Projekt vorliege. Ein wundervoll weiter Schritt nach vorne!
Heute Abend dann eine wirklich nette Begegnung: Eine der jungen Damen, die das Hotel bewirtschaften und deren Belustigung über meine Inkompetenz in Sachen Kreol mittlerweile in Mitleid umgeschlagen ist, klopfte und fragte völlig überraschend, ob es mir denn auch gut gehe und was ich denn in Haiti mache. Ich habe es ihr auf Französisch erzählt, sie hat in Kreol nachgefragt. Komischerweise haben wir uns gut verstanden. Es war einfach nur nett, dass man ernst genommen und beachtet wird. Irgendwie passt das Bild nicht in meine Vergleichsliste mit deutschen Hotels.
Morgen haben wir uns fer forge und fer decoupe vorgenommen (Sorry, meine Tablet-Tastatur hat keine accents!).
Andreas
 






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